
Brennerbasistunnel – Warum die Zukunft Österreichs nicht in schwarzen Löchern liegt...
Wer heute in Projekte der Steinzeit investiert, darf sich nicht wundern, wenn ihn das Morgen überrollt. Warum die Zukunft Österreichs nicht in schwarzen Löchern liegt: eine Rechenübung.
Die Österreichische Hochschülerschaft organisierte im Sommersemester 2012 Vorlesungen auf den Hauptverkehrsstraßen der Stadt Wien. Zu diesem Zweck wurden diese Abschnitte für den Autoverkehr so weit gesperrt, dass die für eine Vorlesung erforderliche Akustik funktionierte. Vermutlich ist dieses couragierte Vorgehen gegen ein Tabu herkömmlichen Verkehrswesens – dem Autoverkehr darf nichts in den Weg gelegt werden – auch ein Ergebnis der Vorlesungen am Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien, in denen die Hörer einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Verkehrssystem theoretisch und praktisch lernen. Dieses seit mehr als drei Jahrzehnten vermittelte Wissen dürfte mittlerweile bei den Verkehrsbehörden angekommen sein, die dem Antrag auf temporäre Schließung einer Hauptverkehrsstraße offensichtlich zugestimmt haben.
Die erlebbare Erfahrung bestätigt die bekannten Tatsachen: Sperrt man die Autos aus, nimmt die Mobilität in diesem dem Autoverkehr entzogenen öffentlichen Raum einer Stadt sofort sprunghaft zu. Anlass für diese Aktion waren allerdings die Finanzprobleme an den Universitäten im Allgemeinen und an der TU Wien im Besonderen.
Zum Verkehr gehören naturgemäß auch der Geldverkehr und damit auch die Schulden. Die österreichische Bundesregierung ist ja beim hemmungslosen Schuldenmachen auf Kosten der Steuerzahler nicht gerade zimperlich, wenn es um die Erfüllung selbst der absurdesten Wünsche der Auto- oder Bauindustrie geht. Kein Wunder, wenn man weiß, dass deren tüchtigster und erfahrenster Vertreter heute Wand an Wand mit der Infrastrukturministerin – dank der offensichtlich guten Beziehungen zu Kanzler Faymann – agieren kann. Die Verschrottungsprämie und der Bau der unsinnigsten Verkehrsinfrastrukturen wie Koralmtunnel, Semmering-Basistunnel oder Brenner-Basistunnel beweisen, wer die Politiker und die Politik im Lande macht. Trotz Milliardenschulden in zweistelliger Höhe soll gleichzeitig zur Bahn ihre Konkurrenz, die Autobahn, ausgebaut werden. Und wenn schon kein Berg in der Nähe ist, muss ein Tunnel unter der Donau gegraben werden. Denn Maschinen müssen sich bezahlt machen.
Belogen werden die Bürger mit illusorischen Beschäftigungszahlen und den Projektkosten angepassten „Verkehrsprognosen“. Rechnen wird sich diese unfassbare Geldvergeudung nie. Man hat den Eindruck, dass im Infrastrukturministerium ein Wettbewerb um die unsinnigsten, die Umwelt am meisten schädigenden und ineffizientesten Projekte zur Maximierung der Geldvergeudung auf den Schultern von Generationen stattfindet. Dort, wo die Bürger die Leistungen und Hilfe des Staates brauchen, im Nahverkehr und auf den Nebenbahnen, dreht man die Daseinsvorsorge für die Zukunft ab.
Ebenso wird bei den Ausgaben im Bildungssektor äußerste Zurückhaltung geübt, oder es werden Mittel im Sozialbereich rücksichtslos gekürzt. Das ist aber nur möglich, wenn die zuständigen Universitätsvertreter nicht in der Lage sind, sich zu artikulieren, sondern sich bestenfalls nach halblahmen Kommentaren mit lächerlichen Einsparungsprogrammen beschäftigen lassen. Man braucht nur einige Schritte zurückzutreten, um zu verhindern, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.
Schulden, und um die geht es bei der Bildung wie bei den Bauten, kann man verantwortungsbewusst nur dann machen, wenn man a) den Umfang des Betrages überblickt und verantworten kann und b) die Laufzeit des Kredites finanziell zu beherrschen in der Lage ist. Es handelt sich daher um eine Bewältigung der Zukunftsaufgabe und nicht um ein „Zukunftsversprechen“, das wie bei vielen Regierungen und insbesondere langfristigen Infrastrukturinvestitionen weit über die durchschnittliche Lebensdauer der verantwortlichen Politiker hinausreicht.
Sollte die TU Wien tatsächlich, wie kolportiert wurde, 20 oder gar 50 Millionen Euro an Schulden haben, wäre es Aufgabe eines verantwortungsbewussten Staates, dafür zu sorgen, dass sich die Beschäftigten und Verantwortlichen der Universität nicht damit beschäftigen, in nahezu selbstzerstörerischer Hektik irrwitzige Einsparszenarien durchzuspielen oder gar umzusetzen. Vielfach wird dabei übersehen, dass sie damit ihre Kernkompetenz zerstören, sich ihrer ureigensten Aufgabe mit vollem Einsatz widmen zu können: einer hoch qualifizierten Lehre und exzellenten Forschung.
Folgendes interessiert in dem Zusammenhang: Wie lange braucht es, damit der Staat das Geld, das er aufnimmt, um die Universität wieder sinnvoll arbeiten zu lassen, wieder zurückbekommt? Und: Wie lange braucht es bei den „Großbauvorhaben“? Sind diese vielleicht ein Aderlass für die Bürger, der nie mehr zu stoppen sein wird?
Für die Berechnung ist der „Input“ (= Schulden) und der „Output“ (= Steuerrückflüsse an den Staat) zu definieren. Input ist der gewährte Sofortkredit; Output sind die Absolventen der TU, und für das Finanzressort interessant sind deren Steuerleistungen. Für beides gibt es quantitative Unterlagen. Der „Output“ der TU Wien im Winter- und Sommersemester 2011 schaut folgendermaßen aus: Über alle Studienarten hat die TU Wien in dieser Periode insgesamt 3163 Absolventen vorzuweisen.
„Negatives“ Risiko
Aus der Statistik kann man die durchschnittlichen Jahresgehälter der Absolventen entnehmen und die Steuern, die jeder dieser Absolventen – vorausgesetzt, er findet seinen Arbeitsplatz in Österreich – an den Staat abliefert. Im Jahr ergibt dies ein Steueraufkommen (allein auf die Löhne und Gehälter der Absolventen des Sommer- und Wintersemesters 2011 bezogen) von mehr als 26 Millionen Euro (ermittelt anhand der Zahlen des TU Career Center und www.bmf.gv.at). Hätte die TU 20 Millionen Schulden, wären diese mit den Steuern eines einzigen Jahrgangs an Absolventen zurückbezahlt, 50 Millionen in spätestens zwei Jahren. Für den Staat als Investor also ein exzellentes Geschäft, vorausgesetzt, dort agieren vernünftige, verantwortungsvolle Entscheidungsträger. Außerdem ein Geschäft mit einem „negativen“ Risiko, denn zu den oben angeführten Steuern fließt auch von den Nettogehältern noch viel in die Staatskassen, denkt man an weitere Steuern auf Investitionen, die Mehrwertsteuer et cetera.
Dieses einfache Beispiel zeigt, dass Bildungsinvestitionen Zukunftsinvestitionen sind. Die scheinen aber unsere Bundesregierung nicht zu interessieren, denn sie beschließt, bis zum Jahr 2066 die Bevölkerung mit Schulden im Ausmaß von 68 Milliarden Euro zu belasten, ein Großteil für den Bau fachlich nicht nachvollziehbarer und wirtschaftlich ebenso wenig begründbarer, zum Teil absurder Bauten – insbesondere unsinniger Tunnelbauten. Die Regierung dürfte wohl an die von Frau Bundesminister Bures verbreiteten Märchen einer wunderbaren „volkswirtschaftlichen Geldvermehrung aus schwarzen Löchern“ kollektiv glauben. Denn der Einzige, der einmal klar gesehen und erschrocken ausgerufen hat, dass „der Kaiser nackt ist“, Ferry Mayer, wurde blitzartig von der ÖVP entfernt.
Nehmen wir die angenommenen Baukosten für die aktuellen Tunnelbauprojekte in Österreich. Für die Berechnung wird von einem günstigen Kredit mit vierprozentiger Verzinsung und einer Laufzeit von 50 Jahren ausgegangen. Die jährlichen Betriebskosten wurden von der Stadt München als Durchschnitt von zehn Tunneln errechnet. Die Summe aus den jährlichen Zahlungen der Finanzierungskosten und der Betriebskosten führt zu den jährlich entstehenden Kosten. Ergebnis: Die Bevölkerung wird allein durch diese drei Projekte – da keine Eisenbahngesellschaft auf diesen Trassen jemals Gewinne machen wird – jährlich mit einem Abgang von mehr als einer Milliarde Euro belastet.
Berechnen wir, wie viele Jahrgänge aller Absolventen der TU Wien Steuern zahlen müssen, um diesen Betrag zu kompensieren, dann kommen wir zu der Erkenntnis, dass 40 Jahrgänge aller Absolventen der TU Wien notwendig wären, um den Abgang auch nur eines Jahres aus diesen Projekten auszugleichen. Es bräuchte daher den „Output“ von 40 vergleichbaren Universitäten, um den finanziellen Aderlass dieser Regierungsfehlentscheidung zu kompensieren.
Diese Abschätzung ist noch eine Untertreibung, denn die Mehrkosten für die Erhaltung der nun schlecht ausgelasteten Parallelstrecken müsste man auch berücksichtigen, um nur die engsten Systemfolgen einzurechnen.
Dass dem Staat bei Fehlentscheidungen in diesem Ausmaß kein Spielraum mehr für notwendige Zukunftsinvestitionen bleiben wird, liegt auf der Hand. Wer im 21. Jahrhundert in Projekte der Steinzeit investiert, darf sich nicht wundern, wenn ihn die Zukunft überrollt.
Aberwitzige Fehlinvestitionen
Der Wissenschaftsminister wäre gut beraten, diese Berechnungen auch auf die anderen Universitäten umzulegen und innerhalb der Regierung sowie in der Öffentlichkeit dafür zu sorgen, dass unser Bildungssystem wieder zu jenen Mitteln kommt, die es braucht, um die Zukunft dieses Landes zu bewältigen und die aberwitzigen Fehlinvestitionen der derzeitigen Bundesregierung zu stoppen. Die Zukunft Österreichs liegt nicht in schwarzen Löchern, in deren Dunkelheit sich die verschiedenen Akteure der Lobbys und der Politik offensichtlich viel wohler fühlen als unter hellen Köpfen.
Erschütternd ist die Erfahrung, dass sich die zuständigen akademischen Vertreter unter diesen Bedingungen die Sparmaßnahmen gefallen lassen, die ja eine Abwertung ihrer Bedürfnisse gegenüber dem Graben unsinniger Löcher darstellt. Die Wertehaltung der Bundesregierung belegt die Tatsache, dass sich der zuständige Wissenschaftsminister positiv zur Geldvergeudung im Brenner-Basistunnel äußert – obwohl das nicht in seine Kompetenz fällt. In einer Regierung, welcher es um die Zukunft des Landes geht, müsste die Infrastrukturministerin ihre Milliarden in die Bildung und nicht in steinzeitliche Aktivitäten stecken. Den Verantwortlichen in den Universitäten und der Regierung bleibt eine Hausaufgabe nicht erspart: den Widerspruch in den obigen Rechenbeispielen unter Zugrundelegung der österreichischen Bundesverfassung, Stichwort „öffentliche Mittel“, aufzulösen.
Quelle: diepresse.com